Warum höre ich Matthias Reim?

Und, vielleicht sogar interessanter: Warum kann ich so viel davon mitsingen?

Ich höre Musik von Abba bis Zappa, von Adamo bis Zander, von AC/DC bis ZZ Top, von Beatles bis Yazoo, von 2Pac bis U96, von Knorkator bis Ideal, nur: Es muss halt gut sein. Das könnte meine Antwort auf die Frage im Titel sein, ist sie aber nicht. Es ist eben alles so verdammt relativ. Gerade und besonders der Musikgeschmack. Und oft genug prägt sich ja ein Musikstück schon wegen der oftmaligen Wiederholungen im Kopf ein, auch wenn man nur unbewusst zuhört, Stichwort „Ohrwurm“ und so. Ich könnte zum Ohrwurm einen eigenen Artikel schreiben, das mache ich aber vielleicht später, jetzt nicht. Jetzt erzähle ich, wie Matthias Reim in meinen Kopf kam.

(Ich habe versucht, eine kurze Version zu schreiben, aber gemerkt, dass immer ein Detail fehlt, also Scheiss drauf, ihr müsst eben das alles lesen (aber so ganz alles schreiben weicht vom Thema ab… also zu eurem Glück alles wieder etwas kürzer)).
Im August 1988 kam ich zur Bundeswehr. Die Jungs wollten mich schon eher haben, denn die Musterung habe ich natürlich gut überstanden. Ich war noch als Schlossergeselle beschäftigt, da bekam ich einen Brief: Die Wehrpflicht würde rufen. Ich dachte mir: „Wenn schon, denn schon und was anderes wäre ja auch mal schön“. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon daran gedacht, meinen Schlossermeister zu „machen“, aber ich war jung und hatte nicht das Geld. Die Bundeswehr schon. Aus Erzählungen mit Alterfahrenen hatte ich den Entschluss gefasst, ich müsse zur Luftwaffe, Heer kam auf keinen Fall in Frage (Heute würde ich die Marine wählen). Also habe ich das Schreiben meinem Meister gezeigt, kurz überlegt und die Option gezogen: Ich melde mich freiwillig. Damit war der eigentliche Termin hinfällig, ich musste erst nach Hannover und da eine Untersuchung über mich ergehen lassen. Das waren Eignungstests, etwas Sport meine ich, und medizinische Untersuchungen. Wofür ich mich noch heute schäme: Dabei hatte ich eine schmutzige Unterhose an! War aber wohl nicht so schlimm, denn nach einem Abschlussgespräch bekam ich später Post, sinngemäss: „04.07.88 melden in Goslar zur Grundausbildung“. Vorspulvorspul. Danach war ich in Wittmund stationiert, Traditionsgeschwader Richthofen, Phantom! Es erwies sich aber, dass meine Funktion als Munitionsmechaniker mal gar nichts mit schlosserischem Handwerk zu tun hat, mir die Zeit dann wohl doch nicht angerechnet werden könnte (notwendige Jahre für den Meister) Vorspulvorspul. Am 02.01.90 meldete ich mich beim Fliegerhorst Oldenburg, ich sollte Luftfahrzeugmetaller werden. Und das war genau das, was ich brauchte! Und die Leute waren auf Zack: Ich bekam einen Grundlehrgang im Lfz-Metallern, den ich dank meiner Vorkenntnisse sehr gut absolvierte (aber ich musste viel Lfz-Kram lernen). Dann wurde ich zum Metaller-Lehrgang („1. Metaller“ war ich danach) nach Fassberg angemeldet. Und zum Uffz-Lehrgang bei Hamburg. Wilde Zeiten. Ein Buch wert. Noch vor Ende 1991 wurde ich zum Unteroffizier befördert, war da schon Zweitranghöchster in der Abteilung (waren drei Zivilisten da, nur noch ein Oberfeld und ein paar Wehrpflichtige), Thorsten, mein Grundlehrgangsausbilder war da schon bald im BfD (Berufsförderungsdienst). Kurz vor Weihnachten 91 kam die Meldung über den Standort: „72-Stunden-Bereitschaft für alle Soldaten!“ Die Golfkrise (Saddam Hussein) war im höchsten Gange und das JaBoG 43 wurde der Nato unterstellt. Weihnachten sass ich also zuhause auf gepackten Taschen, denn von „unseren Metallern“ kamen ja nur wenige in Frage. Zwei hatten eine gute Ausrede und der Rest waren Zivilisten, die nicht für solch einen Einsatz vorgesehen waren. Am 06.01.1991 flog ich als 1. Lfz-Metaller (und einziger) mit mal gerade zwei Monaten Erfahrung im Job Richtung Türkei / Erhac, in einer Transall, via Brindisi. 12 Std. Reisedauer. Vorspulvorspul.

Untergebracht wurden wir in einem „Militärhotel“ (so nannten die Türken das) in Malatya, immer zwei Mann auf einer Stube. So richtig kannte ich noch keinen, aber Kameradschaft geht ja über Freundschaft. Letztendlich war ich mit Thomas in einem Zimmer, der irgendwie um drei Ecken meine damalige Freundin kannte. Ich kannte den nicht, aber ich kannte Dirk, der aber mit seinem Fachkameraden in ein Zimmer ging. So trafen wir uns jeden Abend auf einem Zimmer, um die Zeit zu verbringen (wenn der Job nicht nach einem rief). Da die Alpha Jets recht pflegeleicht waren, verbrachten wir viel Zeit auf den Bettkanten, aber immer in Uniform, 24Std.-Bereitschaft! Und da zum einen der Schnaps recht billig war, wir zum anderen mit unserem „Nachschieber“ und den türkischen Adjudanten gut um konnten, hatten wir immer Weinbrand und Cola oder so.

Und eines Tages mussten alle antreten und Handgeld empfangen. Wir waren so ziemlich die ersten Soldaten, die solch ein „Fall“ betraf, deswegen war man sich mit der Bezahlung lange Zeit uneins. Nun bekamen wir einfach mal 600 Mark in bar ausgehändigt, Vater Staat und damit unser Chef hatte so das Gefühl, alles getan zu haben. Wir standen mitten in Ost-Anatolien mit der sinnlosen Knete, denn wenn wir was kaufen wollten, dann mussten wir erst in türkische Kujambel umtauschen. Und das war nix wert. Später spielten wir das Kartenspiel „Schwimmen“ mit 1000er Scheinen des türkischen Geldes… ich schickte einen Teil vom Bargeld per Feldpost nach Hause zu meiner damaligen Freundin, samt einem netten Brief. Vorspulvorspul. Da mit jedem Kilometer Entfernung die Liebe wächst, hatte ich sie gebeten, von einem Teil des Geldes einen Walkman (Sony, kennt ihr noch? War vor iPod) und bespielte Kassetten mit kuscheliger Musik zu besorgen. Eine davon war Reim. Walkman, Reim, Zeit= Holger baut sich ewige Ohrwürmer. Dazu kam, dass wir das sogar an der Bettkante beim Schnaps hören konnten (wie wir das damals technisch gelöst haben weiss ich nicht mehr). Komischerweise waren die anderen kaum in der Lage, andere Musik zu besorgen, obwohl sie immer meckerten.

So kam es, dass ich heute noch, über 20 Jahre später, Matthias Reim höre und dann immer an die Geschehnisse damals zurück denken muss, während ich fast zwanghaft (lautleise) mitsingen muss.

Ach ja, wegen der Türkei-Geschichte war ich seinerzeit auch in der Bild-Zeitung und ich bekam später die Ehrenmedaille der Bundeswehr. Vielleicht sollte ich doch mal ein Buch über mein Leben schreiben…

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